Änderungen im Arbeitsrecht 2022: Koalitionsvertrag und Neuregelungen

Änderungen im Arbeitsrecht: Koalitionsvertrag und Neuregelungen

Der Einzug der neuen Regierung bedeutet große Veränderungen für alle deutschen Bürger, aber insbesondere für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen. Im Koalitionsvertrag wurden mitunter viele Neuregelungen und Veränderungen im Arbeitsrecht angemerkt, welche im neuen Jahr umgesetzt werden sollen. Die Stärkung der Arbeitnehmer:innenrechte stach hierbei deutlich heraus. 

Dieser Artikel ist veraltet. Was sich im Arbeitsrecht in 2023 verändert hat, lesen Sie an anderer Stelle bei uns.

Was die neue Ampel-Koalition genau plant und welche Implikationen das für Arbeitgeber:innen mit sich bringen könnte, erfahren Sie in diesem Artikel. 

Flexiblere Arbeitsbedingungen und ‘Future of Work’

Die neue deutsche Regierung plant auch Änderungen im Arbeitsrecht. Durch die Infektionsschutzmaßnahmen, einhergehend mit der Corona-Pandemie, plant die Ampel-Koalition, flexiblere Arbeitsregelungen sowie eine weitergehende Digitalisierung der Arbeitswelt. Darunter ist auch die Rede von flexibleren Arbeitszeitregelungen für Arbeitnehmer:innen. 

Acht-Stunden-Tag kann flexibler gestaltet werden

Die neue Regierung möchte das Arbeitszeitgesetz im neuen Jahr 2022 anpassen. Die Anpassung beinhaltet eine neue befristete Regelung mit einer Evaluationsklausel. Diese soll Unternehmen und Gewerkschaften ermöglichen, flexiblere Arbeitsregelungen in Tarifverträgen zu bestimmen. Somit können Arbeitgeber:innen in bestimmte Fällen den Acht-Stunden-Tag gegebenenfalls verlängern

Dennoch können Arbeitgeber:innen und Betriebsrat laut Koalitionsvertrag nur Änderungen an der Acht-Stunden-Tag-Vereinbarung vornehmen, wenn diese tarifgebunden ist. Unternehmen, welche nicht tarifgebunden sind, können laut neuem Arbeitszeitgesetz weiterhin keine Vereinbarungen zur Änderung des Acht-Stunden-Tags ausführen. Ob es künftig auch eine derartige Anwendung für nicht tarifgebundenen Arbeitgeber geben wird, bleibt abzuwarten. 

Die digitale Personalakte muss bestimmten Anforderungen standhalten, um vor dem deutschen Recht Bestand zu haben.
Viele Änderungen kommen 2022 auf Sie zu. (Quelle: 89Stocker / Canva)

Arbeitszeiterfassung oder Vertrauensarbeitszeiten?

Der Europäische Gerichtshof appellierte am 14. März. 2019 (Rechtssache C-55/18) an die Mitgliedsstaaten, ihre Arbeitgeber:innen zur Nutzung von effektiven Zeiterfassungssystemen zu bewegen. Das brachte Arbeitgeber:innen ins Grübeln, ob künftig noch Vertrauensarbeitszeit möglich sein würde.

Jedoch wurde im Vertrag der Ampel-Koalition festgelegt, dass Vertrauensarbeitszeit vorerst bestehen bleibt. Wie das mit der Forderung des Europäischen Gerichtshof zu vereinbaren ist, wird sich aber noch zeigen. 

Digitalisierung von Betriebsräten

Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem vor, dass Betriebsräte in Zukunft selber entscheiden können, ob sie analog oder digital arbeiten möchten. Im neuen Jahr kommen auch erstmalig Online-Betriebswahlen dazu und Gewerkschaften wird ein Online-Zugang zu Betrieben versprochen.

Des Weiteren sieht die Ampel-Koalition vor, bessere Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer:innen zu schaffen, welche für digitale Plattformen arbeiten. Die derzeitigen Regelungen und Rechte sollen dabei genauer unter die Lupe genommen werden. Somit wollen sie Arbeitnehmer:innen und -geber:innen besser schützen. Wie sie das genau erreichen möchte, bleibt abzuwarten. 

Quelle: Jacob Lund. / Canva

Kein konkreter Anspruch auf Home-Office für Beschäftigte

Der Koalitionsvertrag sieht kein konkretes Recht auf Home-Office für Arbeitnehmer vor. Jedoch soll sich das mobile Arbeiten, welches das Home-Office einbezieht, künftig von der Telearbeit und dem Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung demarkieren.  

Ein sogenannter Erörterungsanspruch ist für Beschäftigte geplant, welche auch vom Home-Office aus ihrer Tätigkeit nachkommen können.

Konkret bedeutet das, dass Arbeitnehmer:innen ihren Wunsch auf Home-Office äußern können und wenn dieser nicht widerspricht, gilt die Anfrage auf Mobile Arbeit als genehmigt.

Der/die Arbeitgeber:in kann jedoch bei betrieblich bedingten Gründen eine solche Anfrage ablehnen. Dies geht aber auch mit mehr Bürokratie für Unternehmen einher. 

Außerdem sieht der neue Koalitionsvertrag auch Vereinfachungen bei der EU-weiten Remote Arbeit vor. Die Abschaffung von Hürden für die Mobile Arbeit soll Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen ein angenehmeres Zusammenarbeiten ermöglichen. 

Stärkung der Rechte für Beschäftigte

Der neue Koalitionsvertrag sieht vor allem große Verbesserungen für Arbeitnehmer:innen vor. Dabei sind folgende Änderungen im Arbeitsrecht geplant:

  • Erhöhung des Mindestlohns: Auch im 2022 soll der Mindestlohn als Teil eines Stufenplans von 9,60 Euro auf 12 Euro erhöht werden. Dabei wird die Mindestlohnkommission die weiteren Anpassungen kontrollieren. Zudem werden die Lohnobergrenzen für Mini- und Midijobber erhöht. Die neuen Regelungen sollen somit Minijobbern 520 Euro pro Monat und Midijobbern 1.600 Euro monatlich ermöglichen.
  • Höhere Renditen in der bAV: Der Koalitionsvertrag setzt sich auch weitgehend für die Arbeitnehmer:innenrechte ein. Die Koalition plant daher höhere Renditen bei der betrieblichen Altersvorsorge und will somit das Sozialpartnermodell einbringen. 

Betriebliche Mitbestimmung und Unternehmensmitbestimmung

In Zukunft soll die betriebliche Mitbestimmung und Unternehmensbestimmung stärker priorisiert werden. Somit sollen Behinderungen zur Mitbestimmung durch Arbeitnehmer:innenvertreter im Aufsichtsrat (bzw. Verwaltungsrat) künftig als Offizialdelikt eingestuft werden und nicht mehr wie bisher als Antragsdelikt.

Das bedeutet, dass bei diesem Vergehen schwerere Strafen für Arbeitgeber:innen zu erwarten sind als bisher. Des Weiteren soll für die Europäische Aktiengesellschaften (SE) zukünftig vermieden werden, dass eine unternehmerische Mitbestimmung untersagt ist. 

Vereinfachung von Teilzeitrecht und befristeten Arbeitsverträgen

Laut Koalitionsvertrag sind bei sachgrundlosen Befristungen auch künftig keine bedeutenden Veränderungen zu erwarten. Bei mit Sachgrund befristete Arbeitsverträgen gilt jedoch eine Höchstbefristungsdauer von sechs Jahren. Nur in Ausnahmefällen darf diese überschritten werden. Außerdem soll im öffentlichen Dienst die Haushaltsbefristung abgeschafft werden. 

Quelle: bernie_photo / Getty Images

Weiterbildung am Arbeitsplatz

Eine Bildungsteilzeit soll für Fort- und Weiterentwicklungszwecke eingeführt werden. Demnach dürfen Arbeitnehmer:innen ihre wöchentliche Arbeitszeit verringern, um an Weiterbildungsangeboten teilzunehmen. Der Staat kommt dabei für Verdienstausfälle auf. 

Jahreswechsel 2021/22: Das kommt auf Unternehmen zu

Mit dem Jahresende und -wechsel kommen viele Änderungen auf Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen zu. Was Unternehmen da genau erwartet und auf welche Gesetzesänderungen Sie sich gefasst machen können, lesen Sie nachfolgend.

Am 8. September 2021 wurde der Referentenentwurf der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung fürs neue Jahr 2022 veröffentlicht. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) legt darin die neue Jahresentgeltgrenze (JAEG), Beitragsbemessungsgrenzen und Bezugsgrößen fest.

Diese werden erstmals von der Bundesregierung beschlossen und von dem Bundesrat abgesegnet, bevor sie im Gesetzesblatt veröffentlicht werden. Die folgenden Werte treten ab dem 1. Januar 2022 in Kraft. 

Jahresentgeltgrenze bleibt unverändert

Die allgemeine Jahresentgeltgrenze (JAEG) – auch bekannt als Versicherungspflichtgrenze – bestimmt, ab welcher Summe des jährlichen Bruttoarbeitsentgelts ein:e Arbeitnehmer:in automatisch von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die private Krankenversicherung (PKV) wechselt.

Die Jahresentgeltgrenze für 2022 bleibt vorerst unverändert. Genau wie im Jahr 2021 liegt die allgemeine Jahresentgeltgrenze bei 64.350,00 Euro. Die besondere Jahresentgeltgrenze liegt bei 58.050,00 Euro. Jedoch müssen zum Jahreswechsel Änderungen im Entgelt in der Schätzung im Folgejahr mit eingeschlossen werden.

Quelle: bee32 / Getty Images

Das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung vom vorletzten Kalenderjahr stellt die Bezugsgröße dar. Diese Bezugsgröße wird für verschiedene Berechnungen in der Sozialversicherung verwendet. Für die Kranken- und Pflegeversicherung gelten bundesweit die Werte der alten Bundesländer und es wird nicht unterschieden. Anders in der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Da wird nach alten und neuen Bundesländern differenziert. 

  • Der Wert der neuen Bundesländer steigt um 1,1 % → auf 3.150 Euro monatlich (37.800 Euro jährlich)
  • Der Wert der alten Bundesländer bleibt unverändert → 3.290 Euro monatlich (39.480 Euro jährlich).

Das Durchschnittsentgelt bezeichnet das Durchschnittseinkommen aller Sozialversicherten in Deutschland. Es stellt eine Rechengröße der Sozialversicherung dar.

Der Durchschnittsentgeltbetrag wird im neuen Jahr niedriger. Der neue Wert liegt dann bei 38.901 Euro.

Veränderung der Rechengrößen

Die SV-Rechengrößen für das folgende Jahr werden immer im Voraus bestimmt und leiten sich aus den Entwicklungen der Bruttolöhne und -gehälter ab. Durch die Lohnentwicklungen von 2020 bis 2021 konnte man feststellen, dass Arbeitnehmer im Durchschnitt niedrigere Bruttolöhne und -gehälter erhalten haben. 

Im Bundesgebiet sanken diese um 0,15% und in den alten Bundesländern sogar um 0,34%. Die Werte für Ost und West im Jahr 2022 werden als Folge dessen angepasst.

Beitragsbemessungsgrenzen

Beitragsbemessungsgrenzen für alte Bundesländer sinken und steigen in den neuen. Im neuen Jahr wird in den alten Bundesländern das Entgelt nur bis 7.050 Euro pro Monat für Beiträge in Betracht gezogen. Somit sinkt die Grenze um 50 Euro. In den neuen Bundesländern dagegen steigt die Obergrenze um 50 Euro und liegt dann bei 6.750 Euro im Monat. Die Kranken- und Pflegeversicherung wird sich in 2022 weiterhin auf 4.837,50 Euro belaufen wie bisher.

Weitere Rechenwerte und Beitragssätze in der Sozialversicherung für 2022 finden Sie in unserem Artikel über die Lohnabrechnung.

Quelle: 89Stocker / Canva

Neue obligatorische Zuschüsse

Arbeitgeber:innen müssen im neuen Jahr mit obligatorischen Zuschüssen hinsichtlich der Beitragszuschuss-Regelung für die betriebliche Altersvorsorge rechnen. Die Höhe des Zuschusses wird durch den Beitrag der Sozialversicherungsersparnis der Arbeitgeber:innen bestimmt, beläuft sich aber maximal auf bis zu 15 % des Arbeitnehmer:innenbeitrags. 

Außerdem müssen Arbeitgeber:innrn mit zusätzlichen Kosten bei laufenden Engeltumwandlungserklärungen rechnen, bei denen früher die Sozialversicherungseinsparungen vom Unternehmen umgetrieben wurden und nun ab 2022 als Zulage genehmigt werden müssen. Im Falle, dass Arbeitgeber:innen bereits vertraglich festgelegte Zuschüsse gewähren, können Sie diese ab 2022 generell mit den gesetzlichen Zuschlägen verrechnen – solange noch keine Einsparungen getätigt wurden sowie die Kompensation durch Gehaltserhöhungen oder Bonuszuschlägen. 

Erhöhung des Mindestlohns und der Ausbildungsvergütung

Im neuen Jahr steigen Mindestlohn und Ausbildungsvergütung. Als Teil eines vierstufigen Plans wird der Mindestlohn ab dem 1. Januar des neuen Jahres von 9,60 Euro auf 9,82 Euro angehoben. Im Juli folgt dann eine Anpassung auf 10,45 Euro pro Stunde. 

Ebenso soll 2022 die Ausbildungsvergütung wie folgt ansteigen:

  • Zweites Ausbildungsjahr → +18 %
  • Drittes Ausbildungsjahr → + 35 % 
  • Viertes Ausbildungsjahr → + 40 % 
Quelle: pixelshot / Canva

Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)

Ab 2022 soll die Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) den gelben Schein bzw. das Attest in Papierform ersetzen. Das Meldeverfahren bei Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit für Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen soll somit vereinfacht werden. Weniger Bürokratie und eine bessere Übersicht sind die Gründe hierfür. 

Das Startdatum für das Pilotverfahren wurde auf den 1. Juli 2022 verschoben. Somit haben Vertragsärzte bis zum 30. Juli noch die Möglichkeit komplett auf die digitale Übermittlung von AU-Bescheinigungen an Krankenkassen umzurüsten. Die Meldepflicht und Bescheinigung beim Unternehmen im Krankheitsfall bleibt weiterhin bestehen.

Unternehmen dürfen Urlaub bei Kurzarbeit kürzen

Arbeitgeber:innen dürfen den Urlaub von Mitarbeiter:innen anteilig kürzen, wenn sie tageweise nicht zur Arbeit antreten können. Das entschied das Bundesarbeitsgericht am 30. November 2021.

Diese neue Regelung gilt bei Kurzarbeit Null mit längeren Zeiten ohne Arbeitspflicht. Dadurch besteht für Arbeitnehmer:innen, die vorübergehend komplett ausgesetzt sind, kein anteiliger Anspruch auf Urlaub für die unbeschäftigten Zeiträume. 

Mehr dazu lesen Sie auch in unserem großen Ratgeber zum Urlaubsanspruch.

Quelle: 89Stocker / Canva

Wahlalter für Betriebsrat abgesenkt

Ab 2022 dürfen erstmalig auch Mitarbeiter:innen ab 16 Jahren ihre Stimme für den Betriebsrat abgeben. Um selbst für den Betriebsrat aufgestellt werden zu können, setzt sich aber weiterhin das Mindestalter von 18 Jahren durch. 

Änderungen bei Minijobbern

Ab dem 1. Januar 2022 müssen Arbeitgeber:innen bei der Anmeldung von kurzfristigen Minijobbern erfassen, bei welcher Versicherung diese Angestellten krankenversichert sind.

Außerdem sollen Arbeitgeber:innen künftig auch mehr Informationen zu Minijobber:innen erhalten sowie ob der Angestellte weiteren kurzfristigen Beschäftigungen nachgeht oder in dem Kalenderjahr nachgegangen ist. 

Wie Sie die Lohnabrechnung für einen Minijob erstellen, lesen Sie an anderer Stelle.

Freigrenze für steuerfreie Sachbezüge steigt

Ab dem 1. Januar 2022 steigt die Freigrenze für den steuerfreien Sachlohn (wie zum Beispiel einen Tankgutschein für Ihre Mitarbeiter:innen) von 44 Euro auf 50 Euro pro Monat. Des Weiteren können Arbeitgeber:innen ihren Angestellten ein kleines Extra in Form von Gutscheinen oder anderen Sachleistungen mitgeben, welche nicht versteuert werden müssen.

Ist die Lohnabrechnung per E-Mail erlaubt? Und was müssen Sie beachten? Das lesen Sie an anderer Stelle in unserem Blog.

Spezialisiert auf New Work und die Digitalisierung der HR-Welt schreibe ich gern News und Tipps für alle Personaler:innen.

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