Auch 2023 kommen wieder einige Veränderungen auf Personalabteilungen zu – vor allem im Arbeitsrecht können Sie sich auf neue Gesetze einstellen. Gemeinsam mit einem Experten beleuchten wir die wichtigsten Gesetze im Arbeitsrecht 2023 und alle Veränderungen, die damit einhergehen.
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Neue Gesetze im Arbeitsrecht 2023: Was für HR-Verantwortliche interessant wird
eAU, Vereinbarkeitsrichtlinie, Zeiterfassung – in diesem Jahr ändert sich im Arbeitsrecht wieder einiges. Wir haben mit Dr. Tim Eickmanns, Rechtsanwalt und Salary Partner bei Taylor Wessing in Düsseldorf, gesprochen. Gemeinsam beleuchten wir die wichtigsten neuen Gesetze, die für alle HR-Verantwortlichen 2023 interessant werden.
Besonders im Fokus der Personalverantwortlichen, so der Arbeitsrecht-Experte, ist nicht nur das geänderte Entgeltfortzahlungsgesetz:
“In rechtlicher Hinsicht dürfte die HR-Verantwortlichen gleich zum Jahresstart die Umsetzung des seit 1. Januar 2023 verpflichtenden ‘eAU’-Verfahrens, also des elektronischen Abrufs von AU-Bescheinigungen für gesetzlich krankenversicherte Mitarbeiter:innen, beschäftigen. Parallel dazu dürften aber insbesondere auch
- die Umsetzung des verschärften Nachweisgesetzes,
- der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Verfall von Urlaubsansprüchen
- sowie des Urteils des Bundesarbeitsgerichts aus September letzten Jahres zur Arbeitszeiterfassung
weiterhin eine gesteigerte Rolle spielen.”

Da Eickmanns aber bereits seit Jahren Arbeitgeber:innen in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts berät, weiß er ganz genau, dass neben den rechtlichen Themen auch noch andere Herausforderungen auf Personalabteilungen warten. Zwar gibt es neue Gesetze im Arbeitsrecht 2023, dafür aber altbekannte Probleme: ein steigender Fachkräftemangel, Rufe nach Nachhaltigkeit und Diversität sowie neue Arbeitsmodelle und hybride Arbeitsformen.
“Auch 2023 wird es für HR-Verantwortliche also sicherlich nicht langweilig”, erklärt Tim Eickmanns.
Das müssen Sie zur eAU wissen
Neue Gesetze gibt es viele, aber keines hat das Arbeitsrecht und schlussendlich auch Personalabteilungen zu Jahresbeginn so stark beschäftigt wie das geänderte Entgeltfortzahlungsgesetz, was mit einem verpflichtenden „eAU“-Verfahren einhergeht. Unternehmen müssen in 2023 den elektronischen Abruf von AU-Bescheinigungen für gesetzlich krankenversicherte Mitarbeiter:innen gewährleisten. Was dabei technisch zu beachten ist, erklärt Rechtsanwalt Tim Eickmanns:
“Der Abruf einer eAU bei den Krankenkassen darf nur mittels einer gesicherten und verschlüsselten Datenübertragung aus systemgeprüften Programmen erfolgen.” Hier bemerkt der Experte jedoch, dass die meisten gängigen Entgeltabrechnungsprogramme dies erfüllen sollten. Wir empfehlen Ihnen, Ihr genutztes Programm sowie die Datenübertragung davon zu überprüfen, damit Sie auf der sicheren Seite sind.

“In rechtlicher Hinsicht ist im Rahmen des Abrufs zu beachten, dass dieser nicht anlasslos erfolgen darf, sondern insbesondere nur dann, wenn der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin dem Unternehmen auch tatsächlich eine konkrete Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer gemeldet hat.”
Dazu Eickmanns weiter: “Die größte Herausforderung dürfte aber in rechtlicher Hinsicht darin bestehen, dass die Unternehmen nun prüfen müssen, ob ihre bisherigen vertraglichen und/oder betrieblichen Regelungen zur Arbeitsunfähigkeit noch zu dem neuen elektronischen Abrufsystem passen. Oft sehen die entsprechenden Regelungen beispielsweise noch explizit eine Pflicht der Mitarbeiter:innen zur Aushändigung des – nunmehr abgelösten – ‘gelben Scheins’ an die Arbeitgeber:innen vor. Je nach Ergebnis der Prüfung müssen die Arbeitsverträge und/oder sonstige betriebliche Regelungen zu dem Thema angepasst werden.”
Ein besonderer Tipp vom Experten an Sie: Viele Mitarbeiter:innen sind verwirrt, was sie jetzt beachten müssen. Fertigen Sie deshalb entsprechende Informationsschreiben, FAQs und/oder eine Policy an. Sie sollten außerdem mit dem Betriebsrat sprechen, damit etwaige Mitbestimmungsrechte gewahrt werden.
Das neue eAU-Verfahren ist seit dem 1. Januar 2023 verpflichtend für alle Arbeitgeber:innen. Eickmanns betont: “Unternehmen können von dieser Pflicht auch nicht individual-, tarifvertraglich oder durch Betriebsvereinbarungen abweichen.”
Zeiterfassungsregeln für Unternehmen im Detail
Das Arbeitsrecht 2023 wartet aber mit noch mehr Themen für Personaler:innen auf. Besonders neue Richtlinien bzw. Veränderungen in puncto Zeiterfassung haben Unternehmen im vergangenen Jahr beschäftigt. Die Auswirkungen davon werden HR-Abteilungen auch in diesem Jahr spüren.

So rät Rechtsanwalt Tim Eickmanns jedem Unternehmen, was bisher noch keine Zeiterfassung implementiert hat: “Losgelöst von der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu diesem Thema sollten Arbeitgeber:innen schnellstmöglich tätig werden, und zumindest die Überstunden ihrer Arbeitnehmer:innen erfassen: Diese Verpflichtung ergibt sich bereits seit langem aus dem Arbeitszeitgesetz, sodass ein Verstoß bußgeldbewährt ist – mit bis zu 30.000 Euro.”
Im September 2022 gab es jedoch eine Neuerung: Neben den Überstunden müssen auch Beginn und Ende der Arbeitszeit erfasst werden. So sieht es zumindest das Bundesarbeitsgericht. Nun gilt es abzuwarten, bis es entsprechende Neuregelungen gibt.
Tipp vom Rechtsanwalt: Zwar sollten Sie unbedingt ein Zeiterfassungssystem implementieren, jedoch sollten Sie abwägen, ob Sie nicht bis zur Neuregelung abwarten wollen. So sparen Sie sich doppelte Arbeit. “Ein unmittelbares Bußgeldrisiko dürfte zumindest hinsichtlich der Erfassung von Beginn und Ende der Arbeitszeit derzeit nicht bestehen”, erklärt Eickmanns.
Das sollten Sie außerdem noch zur Zeiterfassung im Rahmen vom Arbeitsrecht in 2023 beachten:
- Es gibt keine Übergangsfrist, vielmehr das Gegenteil: Laut Bundesarbeitsgericht ist die Arbeitszeiterfassung auch rückwirkend verpflichtend.
- Das muss alles erfasst werden: Aus dem Urteil ergibt sich, dass die genaue Uhrzeit des Beginns und Endes der Arbeitszeit, also die Gesamtdauer und die Anzahl der Überstunden, erfasst werden müssen.
- Mit Papier oder Software erfassen? Das Bundesarbeitsgericht gibt kein Medium, mit dem Sie die Arbeitszeiten erfassen, vor. Es liegt also an Ihnen, was Sie nutzen möchten. Wir empfehlen Ihnen aber eine Software. HeavenHR 2.0 ist u.a. in der Lage, verschiedene Arbeitszeitmodelle auf Mitarbeiter:innenbasis anzulegen und Ihnen schnell und übersichtlich anzuzeigen, wer wann wie lange gearbeitet hat.
- Absprache mit dem Betriebsrat prüfen: Auch bei diesem Thema sollten Sie sich unbedingt mit dem Betriebsrat beraten und etwaige Mitbestimmungsrechte beachten.

Ist dieses Urteil das Ende der Vertrauensarbeitszeit? Wir haben den Experten gefragt: “Ich persönlich sehe das ‘Ob’ der Vertrauensarbeit nicht ernsthaft in Gefahr. Nur ihre tatsächliche Durchführung, also das ‘Wie’ muss geprüft und ggf. angepasst werden: Vertrauensarbeit ohne jede Zeiterfassung ist nunmehr nicht mehr möglich. Allerdings räumt das Bundesarbeitsgericht den Arbeitgeber:innen in seinen Urteilsgründen eine Alternative ein: So besteht die Möglichkeit, die Aufzeichnung der Arbeitszeit an die Mitarbeiter:innen zu delegieren.” Das bedeutet aber auch, dass Sie stichprobenartig prüfen müssen, ob es zu Auffälligkeiten oder Arbeitszeitverstößen kommt.
Weitere Neuerungen im Arbeitsrecht 2023
Das Arbeitsrecht hält in 2023 aber noch weitere Änderungen für Sie bereit. Eine der vielen Neuerungen ist das Hinweisgeberschutzgesetz. Hierbei handelt es sich um ein neues Gesetz im Arbeitsrecht 2023, was vor allem Hinweisgeber:innen, die auf Missstände im Unternehmen hinweisen, schützen soll.
Das Hinweisgeberschutzgesetz wurde allerdings im Februar im Bundesrat abgelehnt. “Vorbehaltlich eines erfolgreichen Verfahrens im Vermittlungsausschuss dürfte mit Nachbesserungen daher frühestens gegen Ende des Jahres mit einem Hinweisgeberschutzgesetz zu rechnen sein”, schätzt der Rechtsanwalt Tim Eickmanns ein.
Was Sie zum Hinweisgeberschutzgesetz wissen müssen
Das Gesetz soll Arbeitgeber:innen dazu verpflichten, interne Meldestellen einzurichten. Diese müssen sicher konzipiert und betrieben werden, damit die Identität von Hinweisgeber:innen zu jeder Zeit gewahrt wird. “Es ist zudem ratsam, den Beschäftigten durch klar formulierte Leitlinien eine Vorstellung davon zu vermitteln, welche Verhaltensweisen als meldewürdig erachtet werden”, erklärt Eickmanns dazu.
- Es gibt einige Branchenausnahmen, die dieses Gesetz nicht umsetzen müssen. So zum Beispiel Wertpapierdienstleistungsunternehmen.
- Es gilt nur für Unternehmenmit mehr als 50 Mitarbeiter:innen.
- Es soll eine verlängerte Umsetzungsfrist für Unternehmen mit i.d.R. 50 bis 249 Beschäftigten geben, damit sich kleinere Unternehmen genügend vorbereiten können.
- Gibt es keine Meldestelle im Unternehmen, kann ein Bußgeld von bis zu 20.000 Euro drohen. Sollten Sie dagegen Meldungen von Hinweisgeber:innen behindern oder Repressalien gegenüber solchen Personen ergreifen, erhöht sich das Bußgeld auf bis zu 100.000 Euro.

Das Hinweisgeberschutzgesetz wird noch einmal verändert. Wir aktualisieren diesen Text, sobald es neue Entwicklungen gibt.
Umsetzung der EU-Richtlinie: Mehr Vereinbarkeit im Job
Weitere neue Gesetze im Arbeitsrecht 2023 für Sie: Das Gesetz zur Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf ist die Umsetzung des Bundes nach Vorlage der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie. Mitte Dezember 2022 gab es diverse Änderungen in Gesetzestexten wie dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, im Pflegezeitgesetz, im Familienpflegezeitgesetz und im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.
Vor allem kleinere Unternehmen und Dienste werden hier zur Pflicht gerufen, ihren Mitarbeiter:innen mehr Vereinbarkeit in bestimmten Situationen zu ermöglichen.
Eickmanns beschreibt den Inhalt und Nutzen folgendermaßen: “Das Gesetz soll die Flexibilität von Mitarbeiter:innen stärken, die Kinder erziehen oder Angehörige pflegen. Dies insbesondere durch strengere Prüf- und Stellungnahmefristen auf Seiten der Arbeitgeber:innen, unabhängig von ihrer Betriebsgröße.”
Wollen Ihre Arbeitnehmer:innen eine flexible Arbeitsregelung in der Elternzeit und Sie lehnen dies ab, müssen Sie zukünftig eine Begründung vorbringen. Dabei ist es unerheblich, welche Betriebsgröße Ihr Unternehmen besitzt.

Tim Eickmanns zu den Änderungen im Arbeitsrecht 2023 bezüglich der EU-Richtlinie: “Zudem müssen Arbeitgeber:innen in Kleinbetrieben Anträge ihrer Beschäftigten auf den Abschluss einer Vereinbarung über eine Freistellung nach dem Pflegezeit-/Familienpflegezeitgesetz innerhalb von vier Wochen nach Eingang des Antrags beantworten und im Fall der Ablehnung begründen. Sofern mit den Beschäftigten eine Freistellung nach dem Pflegezeit- oder dem Familienpflegezeitgesetz vereinbart wird, gelten zudem zukünftig die damit verbundenen Rechte und Rechtsfolgen. Insbesondere steht den Beschäftigten ein Kündigungsschutz für die Dauer der vereinbarten Freistellung zu.”
Kurzarbeitergeld und berufliche Weiterbildung in der Zeit
Ende Juni 2023 endet die Sonderregelung zum vereinfachten Zugang zum Kurzarbeitergeld. Das Bundeskabinett hat die Regelung verlängert. Folgende Voraussetzungen bestehen demnach bis zum 30. Juni 2023:
- Sie können Ihren Mitarbeiter:innen Kurzarbeitergeld zahlen, wenn mindestens 10% der Beschäftigten von einem Entgeltausfall betroffen sind. Ab Juli gilt wieder die alte Zahl von einem Drittel.
- Ihre Mitarbeiter:innen müssen keine Minusstunden aufbauen, um Kurzarbeitergeld zu beziehen.
- Auch Leiharbeitnehmer:innen können weiterhin Kurzarbeitergeld erhalten.

Während des Bezugs von Kurzarbeitergeld können Unternehmen staatliche Zuschüsse zur beruflichen Weiterbildung ihrer Mitarbeiter:innen im Rahmen vom aktuellen Arbeitsrecht beantragen. Diese Regelung gilt einen Monat länger, und zwar bis zum 31. Juli 2023. Folgende Voraussetzungen gelten hier:
- Die Weiterbildung muss während der Kurzarbeit stattfinden.
- Die Weiterbildung muss mindestens 120 Stunden umfassen.
- Die Weiterbildung und der Träger bzw. die Trägerin müssen zugelassen sein.
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Mindestlohnerhöhung im Arbeitsrecht 2023
In der Pflege gibt es eine stufenweise Erhöhung des Mindestlohns. Sie richtet sich nach der abgeschlossenen Ausbildung der Pflegekraft. Die erste Erhöhung findet am 1. Mai 2023, die zweite am 1. Dezember 2023 statt.
In diesem Jahr erhöht sich der Mindesturlaub für Pflegekräfte zudem um 9 Tage bei einer 5-Tage-Woche. Der Mindesturlaubsanspruch liegt damit bei 29 Tagen. Das Gleiche gilt für 2024.
Weitere Neuerungen im Arbeitsrecht: Minijob und Midijob
Mit der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro die Stunde im Oktober 2022, haben sich auch Veränderungen bezüglich Minijobber:innen ergeben. Die Verdienstgrenze liegt bei 520 Euro pro Monat.
Rechtsanwalt Tim Eickmanns ergänzt: “Mitarbeiter:innen, deren Gehalt oberhalb der vorgenannten Verdienstgrenze für Minijobber:innen, aber unterhalb eines bestimmten Maximalgehalts liegen, zahlen ebenfalls geringere Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung. Nachdem dieses Maximalgehalt für Midijobber:innen bereits im Oktober 2022 auf 1.600 Euro pro Monat erhöht worden war, hat der Gesetzgeber dieses zum 1. Januar 2023 erneut deutlich auf 2.000 Euro brutto pro Monat angehoben.”

Verjährung vom Urlaubsanspruch
Im Dezember vergangenen Jahres hat noch ein weiteres Gerichtsurteil die HR-Welt auf den Kopf gestellt. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der gesetzliche Jahresurlaub nicht verfällt, solange das Unternehmen den Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin nicht vorher auf die Gefahr des Verfalls hingewiesen und ihn/sie dazu aufgefordert hat, den ausstehenden Jahresurlaub bis zum Ende des Jahres zu nehmen.
Das bedeutet, dass die dreijährige gesetzliche Verjährungsfrist erst dann (zum Ende des Kalenderjahres) beginnt, wenn das arbeitgebende Unternehmen die Arbeitnehmer:innen über den konkreten Urlaubsanspruch und die dazugehörigen Verfallfristen belehrt hat und die Beschäftigten den Urlaub aus freien Stücken nicht genommen haben.
Mehr Informationen zum Urlaubsanspruch haben wir einfach für Arbeitgeber:innen an anderer Stelle erklärt.